Neue aufklärerische App Amigra
Am 3. Mai wurde dem breiten Publikum Amigra vorgestellt – eine neue Smartphone-App, die es erlaubt, Orte der Migration in Augsburg zu erleben. Sie wurde vom Staatlichen Textil- und Industriemuseum Augsburg (tim) gemeinsam mit dem Jüdischen Museum Augsburg Schwaben entwickelt. Iacov Grinberg hat die App für a3kultur näher betrachtet.
Das Projekt ist Teil von DIWA (Das inklusive Wir in Augsburg), das unter Federführung des städtischen Büros für gesellschaftliche Integration den gemeinschaftlichen Zusammenhalt in Augsburg fördert. Es wird aus Mitteln des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU kofinanziert. Warum aber haben sich so viele Menschen und Organisationen an diesem Projekt beteiligt?
Das Problem der üblichen vorsichtigen Vorurteile und einem vorsichtigen negativen Verhältnis zu den Migrant*innen und der Migration existiert und hat seine Wurzeln in unserer Psychologie. Erinnern Sie sich selbst an ihre Kindheit. Wie haben Sie damals einen Neuling, in ihrer Schulklasse oder neue Nachbarn wahrgenommen. Ihre Existenz zwang zu Veränderung der existierenden Verhältnisse in der Schulklasse oder unter den Nachbarskindern, die schon lange Zeit zusammen spielten. Ganz ähnlich, vorsichtig, nehmen wir heute ein neues Mitglied in unserer Arbeitsgruppe oder einen neuen Nachbar in unserem Wohnhaus wahr.
Heute ist dieses Problem größer geworden, da die Zahl der Migrant*innen sich drastisch vergrößert hat. Es geht meistens nicht um Menschen aus anderen Ländern und Kulturen. Heute wechseln Menschen ihren Wohnort viel öfter als früher, da sie einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz gefunden haben. Von 2006 bis 2018 organisierte das Bündnis für Augsburg Neubürgerempfänge im Oberen Fletz des Rathauses für alle die im jeweiligen Vorjahr nach Augsburg zogen. Aus ca. 10.000 jährlichen Neuankömmlingen hatten nur etwa zehn Prozent ausländische Wurzeln. Die meisten waren Deutsche aus anderen Orten.
Früher war Migration vor allem eine Folge katastrophaler Ereignisse wie Kriege, heute ist sie ein Teil des üblichen Berufslebens.
Die neue App hat die aufklärerische Aufgabe, allen Interessierten zu zeigen, dass Migration ein ständiges und übliches Phänomenon der Stadtentwicklung ist. An einigen Orten in Augsburg sind die Spuren von Migration gut sichtbar. So erzählt die App über das Mozarthaus, dass die Vorfahren von Leopold Mozart noch im frühen 18. Jahrhundert aus dem Umland nach Augsburg übergesiedelt haben. Beim Eingangsgebäude des Protestantischen Friedhofs sagt die Tafel, dass das Gebäude den zahlreichen Salzburgern gewidmet ist, die noch im 17. Jahrhundert wegen ihrem protestantischen Glauben aus dem damals katholischen Salzburg vertrieben wurden und im bikonfessionelen Augsburg Zuflucht fanden. Im Univiertel erzählt ein Kreuz aus Marmor, dass die Banater Schwaben, die ihr Heimatland verlassen mussten, in Augsburg eine neue Heimat fanden und dafür sehr dankbar sind. Die App erzählt über 40 weitere Orte, die mit Migration verbunden sind, allerdings weniger offensichtlich.
So erzählen die Knochen aus Ausgrabungen, dass hier auch in frühhistorischen Zeiten Menschen aus anderen Gegenden zusammen mit hiesigen Menschen lebten. Der spätere französische Kaiser Napoleon III lebte als Jugendlicher mit seiner Mutter zwischen 1817 und 1825 in Augsburg und besuchte einige Jahre das Gymnasium bei St. Anna (heute befindet sich in diesem Gebäude das Augustana-Forum). Es gab in den 1920-er Jahren in Augsburg ein Büro, das Deutschen, helfen sollte in die UdSSR – damals die Hoffnung aller Arbeiter – überzusiedeln. Die Archive zeigen, dass einige wirklich übersiedelten. Alte Kasernen und einige unscheinbare Gebäude entpuppten sich, als ehemalige Heime für Asylanten und Displaced Persons.
Bilder all dieser Orte sind mit Erzählungen begleitet, die alle unter Federführung und Beteiligung von Historikerin Dr. Julia Devlin verfasst wurden.
Eine rege Besprechung nach der Vorstellung hat gezeigt, dass viele der gezeigten Orte den anwesenden Interessierten nicht bekannt waren. Die begleitenden Erzählungen haben allen gefallen. Es wurde vorgeschlagen noch eine Einführung in die App aufzunehmen, welche erklären soll, dass Migration nicht nur neue Menschen, sondern auch neue Technik, Technologien und Ideen bringt.
Es wurde auch ein Problem bezeichnet: Wie kann man die Aufmerksamkeit der Jugendlichen, die Zielgruppe dieser App, bekommen? Man kann sie kostenlos im App Store und bei Google Play downloaden. Aber wie kann man sie zwischen den Tausenden dort vorhandenen App finden? Zum Beispiel durch Werbung an der Kasse vom tim oder der Gruppenarbeit von Schulkinder, für welche im Jüdischen Museum ständig Führungen durchgeführt werden. Die Verfasser dieser App, hochkarätige Historiker und Computer-Spezialisten, brauchen hier eine Unterstützung, die meiner Meinung nach in Form von »Crowdthinking« sein kann. Falls Sie, liebe Leser*innen irgendeine Idee, in diese Richtung haben, wie man die App an ihre Zielgruppe bringt, teilen Sie sie mit. Schreiben Sie über Ihre Ideen info@timbayern.de.
Kampf gegen Vorurteile gegenüber Migrant*innen und Migration ist für uns für alle wichtig. Helfen auch Sie, falls Sie das können.