Metaphysische Architektur
In »Der doppelte (T)Raum« zeigt das tim Ausstellungsarchitektur. Ein Gastbeitrag von Katinka Temme
Die österreichische Künstlerin Sabine Groschup hat Ende Juni eine große Einzelausstellung im Staatlichen Textil- und Industriemuseum Augsburg (tim) eröffnet. Für die Ausstellungsräume im oberen Geschoss des tim erarbeiteten Masterstudierende im Studiengang Architektur der Hochschule Augsburg (HSA) metaphysische Architekturen, in denen dann die einzelnen Objekte der Künstlerin entdeckt werden können.
Als Vorarbeit beschäftigten sich die Studierende unter der Leitung von Prof. Katinka Temme (HSA) und Prof. Daniel Reisch (IU Internationale Hochschule) mit dem Werk der Künstlerin Sabine Groschup. Deren Arbeiten sollten innerhalb von fünf bis sechs räumlichen Gebäuden gezeigt werden, die an die metaphysische Architektur, abgebildet in den surrealistisch wirkenden Gemälden de Chiricos, erinnern. Daher zählte eine Beschäftigung mit der Malerei Giorgio de Chiricos zu einem weiteren Analyseschritt. Architektur und Städtebau bilden die Grundlage der metaphysischen Ästhetik de Chiricos. Diese hat im Gegenzug die Architektur von der italienischen Moderne bis zur Postmoderne in vielfältiger Weise inspiriert. »Leere Plätze, Gliederpuppen, verhexte Perspektiven« – de Chiricos traumähnliche Stadtansichten bestehen aus Türmen, Arkaden und menschenleeren Idealarchitekturen, mal in eine zentral-, mal in eine multiperspektivische Raumkonstruktion gefügt. Einzig einzeln verwendete figürliche Schatten und »manchini« (Gliederpuppen) bilden Gegenstücke zur streng architektonischen Gestaltung dieser Kulissenwelt.
Basierend auf dieser Vorarbeit gestalteten die Studierenden Gebäude für die Ausstellung und bauten auch Prototypen im Maßstab eins zu eins dazu. In enger Absprache mit der Künstlerin Sabine Groschup, dem Direktor des tim, Dr. Karl Borromäus Murr, sowie dem Ausstellungsarchitekten, Tobias von Wolffersdorff, wurden im Rahmen eines kleinen Wettbewerbs zwei Konzepte ausgewählt und von den Studierenden gemeinsam weiterentwickelt, sodass der Schreinerbetrieb sie dann für die Ausstellung herstellen und vor Ort installieren konnte. Die gebauten Prototypen dienten als Mock-up für eine erste Material- und Umsetzungsschätzung, werden aber inzwischen im Arbeitsraum der Studierenden als Modellablage und Bar nachgenutzt.
Die Ausstellungseröffnung mit der Künstlerin und den anderen Baubeteiligten war ein großes Fest. Vor allem Lena Kirschner und Lukas Junginger freuten sich, da sich ihre Ideen für den Raum im Wettbewerb durchgesetzt haben und realisiert wurden, aber auch für die anderen Studierenden war es spannend zu sehen, wie sich Architektur und Kunst zu einem Gesamtkunstwerk zusammengefügt haben.
Katinka Temme hat an der Universität Karlsruhe (TH) und der Arizona State University in den USA Architektur studiert. Nach der Mitarbeit in Architekturbüros in Dortmund und Basel war sie zehn Jahre als Projektarchitektin in Tokio tätig, 2011 dann das eigene Büro studio3 architekten in Zusammenarbeit mit Daniel Reisch. 2012 erfolgte der Ruf als Professorin für Analoge Architektur & Entwerfen an die Hochschule Augsburg. Zudem ist sie derzeit Vorsitzende des Baukunstbeirats der Stadt Augsburg. Ende Juni eröffnete im tim eine Ausstellung, für deren Ausstellungsarchitektur sich ihre Studierenden der Hochschule Augsburg verantwortlich zeigen. In Zusammenarbeit mit der Fakultät für Gestaltung erarbeiteten Studierende Vorschläge für digitale und urbane Diskussionsplattformen für mehr Demokratie.
Sehen Sie hierzu auch den Beitrag »Der Stoff, aus dem die (T)Räume sind« von a3kultur-Autorin Bettina Kohlen.